Geschichte der Stadt

Posen ist eine der ältesten und größten Städte Polens und die historische Hauptstadt Großpolens, in der vor 1000 Jahren der Grundstein für den polnischen Staat gelegen wurde. Seine Anfänge reichen bis ins 9. Jahrhundert zurück. Damals entstand am rechten Ufer der Warthe auf der Dominsel (polnisch: Ostrów Tumski) in den Überschwemmungsgebieten der Warthe und Zybina eine Herzogsburg, rund um die später Siedlung mit städtischen Charakter entstanden sind. Im 10. Jahrhundert war Posen neben Gnesen die wichtigste Burg der Polanen und der Sitz Mieszkos I. Im Jahre 966 nahm Polen das Christentum an, bereits 968 wurde in Posen das erste Bistum gegründet und man begann mit dem Bau des Domes. Im 12. Jahrhundert wurde Posen zur Hauptstadt der großpolnischen Linie der Piasten, und 100 Jahre später erhob Herzog Przemysł I. Posen zur Hauptstadt Großpolens. Die eingeschränkten Möglichkeiten der räumlichen Stadtentwicklung trugen zur Entscheidung über die Verlagerung der Stadt ans linke Wartheufer bei. Im Jahre 1253 verlieh Herzog Przemysł I. Posen das Stadtrecht nach Magdeburger Recht. Es war ein Wendepunkt in der Geschichte der Stadt, der ihre Entwicklungsrichtungen bis zur Gegenwart bestimmte. Das Lokationsdokument regulierte die Gesamtheit der städtischen Struktur- und Wirtschaftsfragen und legte ökonomische Grundlagen der Stadtgemeinde fest. Mit der Verleihung des Magdeburger Stadtrechts begann der Prozess der Anpassung Posens an die Städte Südwesteuropas. Zum ersten Mal wurden der Stadtrat und das Amt des Gemeindevorstehers gebildet und erste Zünfte organisiert. Nach der Lokalisierung Posens auf dem linken Wartheufer, die über eine westliche Entwicklungsrichtung der Stadt für einige hundert Jahre entschied, begann die Erweiterung des neuen von einer Wehrmauer umgebenen Stadtteils. Ende des 13. Jahrhunderts begann man mit dem Bau des Rathauses, der Königsburg auf dem Przemysł-Hügel und der steinernen Stadtmauer. Hinter der Mauer befand sich die wirtschaftliche Basis der Stadt, die aus einem Dutzend an den beiden Wartheufern gelegenen Dörfern bestand. Die räumliche Entwicklung der Stadt wurde in Anlehnung an einen Urbanisierungsplan realisiert. Die Lokationsstadt erstreckte sich auf einer Fläche von etwa 21 ha, die Hälfte davon nahm die Bebauung mit Wohn- und Werkstattgebäuden ein, 27 % Straßen und Plätze, und die restlichen 23 % öffentliche Gebiete. Das Gebiet bewohnten etwa 4 000 Personen. Die Entwicklung Posens förderten die durch Herrscher verliehene Privilegien und Rechte: das Privileg Przemysł II., das auf Einkünfte von Kaufmanns-, Schuster-, Bäcker- und Kürschnerläden, der Metzgerei und der Stadtwaage verzichtete, Zollbefreiung für Posener Kaufleute, das Recht auf Münzprägung, und das Stapelrecht, verliehen durch König Władysław Jagiełło. Die Privilegien schufen günstige Bedingungen für die Entwicklung örtlichen Handels und der Belebung des Gewerbes, die zusammen mit dem Handelsaustausch zur Grundlage einer ökonomischen Stadtentwicklung wurden. Am stärksten entwickelte sich die Lederverarbeitung, und das Posener Zentrum für Gerberei und Kürschnerei galt nach dem Krakauer als das zweitwichtigste in Polen. Der zweite Hauptgewerbezweig war die Tuchmacherei.


Im 14. und 15. Jahrhundert wurde die Stadt zu einem wichtigen Handelszentrum Europas, und durch Posen verliefen der große Ost-West-Handelsweg und der Weg von Krakau zur Ostsee. Eine bedeutende Rolle im Handelsaustausch Posens spielten der Handel mit Pelzen, Salz und Ochsen, Import von Tuchwaren und Gewürzen sowie Export von Pelz und Wachs. Im 16. Jahrhundert erlebte Posen sein goldenes Zeitalter; es gehörte zu den bedeutendsten Zentren für Kultur, medizinisches Wissens und internationales Handel im Land, das die Mehrheit des polnischen Imports und Transithandels zwischen Osten und Westen beherrschte. Die polenweite und internationale Konjunktur machte man sich zu Nutze, um Handel und Gewerbeproduktion, insbesondere Gerberei, Kürschnerei, Brauerei und Metzgerei zu entwickeln. Im Gewerbe arbeiteten etwa 2500 Personen, und in Punkto Produktionsmenge lag Posen an zweiter Stelle im Land - hinter Danzig. Über 40% des Exportwertes Posens stellte der Warenaustausch mit Leder und Pelz dar. Hauptexportziele waren Schlesien und Brandenburg, im einheimischen Handel dominierte dagegen der Handel mit Danzig, Thorn und Vilna. Anfang des 16. Jahrhunderts wurde Posen auch zu einem bedeutenden Wissenschaftszentrum. Im Jahre 1519 wurde in der Stadt die Lubrański-Akademie gegründet, die zweite Hochschule im Staat, und 1573 entstand die nächste Posener Hochschule - das Jesuiten-Kolleg. Beide Schulen wurden 1780 zur Posener Fakultätsschule zusammengelegt. Die Entwicklung der Wissenschaft beschleunigte die Entstehung von Verlagshäusern, Papierfabriken und Buchhandlungen.

Im 16. Jahrhundert erfolgte eine rasante demografische Entwicklung in Posen. Die Bevölkerungszahl verdoppelte sich binnen 100 Jahren auf 20000. Mehr als 65% der Bevölkerung lebten von Gewerbe und Handel. Die soziale Struktur der Bewohner umfasste, außer ansässigem Adel, das Patriziat und das von Kaufleuten und Handwerkern abstammenden Volk sowie den Plebs. Über 70% der Einwohner waren polnischer Nationalität. Die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe bildeten Personen deutscher und jüdischer Herkunft (insgesamt mehr als 10%).

Die urbanistische und räumliche Entwicklung der Stadt schritt voran. Die komplette Verbauung innerhalb der Stadtmauer bedingte die Ausweitung in die Vorstadt, hauptsächlich in Richtung Süden und Osten. Innerhalb der Stadtmauer wohnten 40 bis 45% der Bevölkerung, der Rest ließ sich in der Umgebung nieder. Dorthin wurden auch für die Einwohner störende Betriebe verlegen: vor allem Gerberwerkstätten und Metzgereien. Im Handelsaustausch überwog der Handel mit Rohmaterialien und fertigen Tuchwaren, vor allem Wolle, und mit Spirituosen. Posen wurde zu einem bedeutenden Handelszentrum für Massenwaren in der Region und zum wichtigsten Zentrum von Getreideeinkauf auf dem Gebiet Großpolens. Auf dem lokalen Finanzmarkt verringerte sich die Rolle der Kredite von der Kirche, und neu eröffneten Wechselstuben erfüllten die Rolle der Banken. Die günstige Tendenzen in der städtischen Wirtschaft hielten bis zur ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts an, als die Entwicklung Posens durch die schwedischen Kriege unterbrochen wurde. Zu einer weiteren Zerstörung der Stadt trugen der Große Nordische Krieg (1703), Kämpfe während der Konföderation von Bar (1769-72) und Naturkatastrophen bei. Ihr Resultat waren ein rasanter Bevölkerungsrückgang - die Einwohnerzahl sank auf 6000 - und ein wirtschaftlicher Zusammenbruch. Kontributionen, die weiteren Armeen ausgezahlt wurden, brachten die Finanzen der Stadt endgültig zum Einsturz. Nach der Zerstörung brauchte Posen einige Jahrzehnte, um wieder auf die Beine zu kommen, und bereits Ende des 18. Jahrhunderts belief sich die Bevölkerung der Stadt auf 12600. Dies platzierte Posen an sechster Stelle in Polen.


Den allmählichen Wiederaufbau Posens unterbrach die Zweite Teilung Polens. Im Jahre 1793 wurde die Stadt und mit ihr ganz Großpolen von Preußen einverleibt und stufenweise in die größte Festungsstadt an der östlichen Peripherie des Staates umgewandelt. Ende des 18. Jahrhunderts wurden mittelalterliche Wehrmauern abgetragen, das Stadtgebiet wurde um ein paar Satellitenstädte und -siedlungen erweitert. Anschließend gliederte man in die Stadtgrenzen neue, westlich gelegene, Gebiete ein. In den Jahren 1797 bis 1806 wurde der Stadtkomplex administrativ zusammengelegt und daraufhin das Stadtsystem nach preußischem Vorbild umgestaltet. Nach Posen, nunmehr Hauptstadt der neuen Provinz Südpreußen und Garnisonssitz, strömten deutsche Beamte und die Armee, und dann auch deutsche Siedler,. Die Stadtbevölkerung stieg auf 50000. Allmählich erhöhte sich die Anzahl der deutschen Bevölkerung von einigen zehn auf über 40% bis zum Ersten Weltkrieg. Während der verstärkten Germanisierung begann man mit der Realisierung des Programms der "organischen Arbeit" mit dem Ziel, polnische Einflüsse im wirtschaftlichen Leben der Stadt zu bewahren. Das Programm beruhte auf der Steigerung der Teilnahme der Polen in der wirtschaftlichen Entwicklung.

Die im 19. Jahrhundert neu aufgekommene preußische Idee der Umwandlung Posens in eine Festungsstadt, auf Grund seiner strategischen Lage , schränkte Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt für beinahe 80 Jahre ein. Nach 1838 wurde Posen unter der preußischen Herrschaft mit mächtigen Befestigungen und mit der Zitadelle auf dem Hügel im nördlichen Stadtteil umbaut. Seitdem entwickelte sich Posen nur innerhalb der städtischen Mauern, und jegliche Urbanisierungs- und Wirtschaftspläne bedurften der Akzeptanz der preußischen Militärverwaltung. Im geschlossenen Ring der Befestigungen überdauerte Posen bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts.

Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert begann man in der Stadt mit dem Bau der ersten großen Objekte städtischer Infrastruktur und einer neu entstehenden Industrie. Eine neue Etappe in der Wirtschaft, gekennzeichnet durch die Entwicklung des Manufaktursystems und eine allmähliche Verringerung der Bedeutung von Gewerbe, wurde im Jahre 1785 durch die Entstehung der ersten großen Manufaktur von Jan Klug eingeleitet, die Textilien wie Wolle oder Samt produzierte. Zu dieser Zeit eröffnete man ein Hotel und ein Gasthaus für Reisende, Postämter und Berufstheater. Die dynamische Entwicklung der modernen städtischen Infrastruktur geht auf das 19. Jahrhundert zurück. Damals wurden Wasserleitungs- und Kanalisationsanlagen, das Gaswerk und das Kraftwerk, die Pferdebahn und die elektrisch betriebene Straßenbahn sowie die Telefonzentrale in Betrieb gesetzt, der Bahnhof wurde errichtet und Zugverbindungen nach Stettin und Breslau sowie eine regelmäßige Linie der Dampfschiffe nach Stettin eingerichtet. Erbaut wurden ebenfalls die städtische Realschule und zwei Gymnasien sowie erste Sportclubs: ein Radrenn- und Ruderclub. Man baute das moderne Krankenhaus der Grauen Schwestern, dann das Garnison- und Stadtkrankenhaus. Es entwickelte sich das Kulturleben: man eröffnete zwei Theater, das erste Kino, eine öffentliche Bibliothek, das erste Museum und ein neues Hotel, das eine gewichtige Rolle in der polnischen Kultur- und Wirtschaftstätigkeit spielte. Es erschienen Tageszeitungen.


Einen grundlegenden Einfluss auf die Entwicklung der Posener Wirtschaft während der Besatzung hatte die Politik der preußischen Regierung, die aus Großpolen eine landwirtschaftliche Basis des preußischen Staates machte, und der Stadt die Rolle eines Handels-Finanzzentrums für den Handel mit landwirtschaftlichen Erträgen und für lokale Versorgung sowie für die Nahrungsmittelverarbeitung zuschrieb. Errichtet wurden damals zwei Fabriken landwirtschaftlicher Maschinen (J. Moegelins und H. Cegielskis), zwei Fabriken künstlicher Dünger (M. Milchs und R. Mays), Bierbrauereien sowie die Wodka- und Likörfabrik Hartwig Kantorowiczs. Bekannt waren auch große Produktionsbetriebe aus anderen Branchen: die Möbelfabrik J. Zeylands, der Produktionsbetrieb für Baustoffe A. Krzyżanowskis sowie die Werkstatt der München-Posener Eisenbahn. Eine bedeutende Rolle spielten zu jener Zeit entstehende Finanzinstitutionen: Banken, Handelskammer und Posener Börsen: die Getreide- und Kornbrand-Börse. Die Eröffnung von Fabriken sowie Entwicklung der Verwaltung und des Schulwesens hatte die Entstehung, neben im Handel und Handwerk Arbeitenden, einer neuen sozialen Klasse zur Folge - der Lohnarbeiter. Außerhalb der Stadtmauern entstanden moderne Industrie- und Handelsviertel. Die erst 1900 getroffene Entscheidung über die Abschaffung der Wehranlagen ermöglichte eine räumliche Entwicklung der Stadt außerhalb der Stadtmauer. In den Jahren 1900 bis 1918 erweiterte Posen zweimal sein Territorium, indem es in seine Grenzen über 2 400 ha eingliederte. Territoriale Veränderungen bedingten ein wesentliches Bevölkerungswachstum von 117 000 im Jahre 1900 auf 168 700 im Jahre 1914. Neue Urbanisierungspläne wurden ausgearbeitet. Sie setzten die Verstädterung der eingegliederten Vorstadt und Entstehung eines repräsentativen Zentrums und Luxusvillenviertels voraus. Eine Reihe moderner Großgebäude nach preußischem Vorbild wurde errichtet: der das Königliche Residenzschloss, die Königliche Akademie, das Stadttheater, die Kaiser-Wilhelm-Bibliothek, das Kaiser-Friedrich-Museum, die Dienstgebäude der Ansiedlungskommission, der Oberpostdirektion und der Grundkreditgesellschaft sowie der Genossenschaftsbank. Man baute eine Villensiedlung im Stadtteil Sołacz und Bürgerhäuser im Jugendstil in den Stadtvierteln Jeżyce, Wilda und Łazarz. Intensiv entwickelte sich die städtische Infrastruktur. Man errichtete eine Wasserentnahmestelle für die Stadt in Dębina, ein modernes städtisches Kraftwerk, eine Kläranlage und ein Abwasserpumpwerk und einen Flusshafen auf der Warthe. Man setzte automatische Telefonverbindungen, den Fernbusverkehr und Passagiertaxis in Betrieb. Es entstand ein Militärflughafen im Stadtteil Ławica. Man errichtete einen modernen Stadtschlachthof. Eine Bestätigung der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung Posens war die Ausrichtung der Ostdeutschen Ausstellung 1911, in der man Errungenschaften der Region präsentierte. Die Zeit der preußischen Dominanz endete im Dezember 1918, nach Beginn eines Aufstandes in Posen, der zur Befreiung Posens und Großpolens führte.


1919 zählte Posen 156 100 Bewohner, vor allem polnischer Nationalität (der Anteil der deutschen Bevölkerung verminderte sich auf 4 %) und die Stadtfläche betrug 3 400 ha. Die Stadt entwickelte sich nach wie vor in Richtung Westen, die Entwicklung in Richtung Süden und Osten begann erst in der zweiten Hälfte der 20er Jahre, nach dem Abbau der restlichen Mauern und der Einverleibung der angrenzenden Dorfgemeinden 1925. Die Stadtfläche vergrößerte sich dann auf 6 700 ha. Der 1921 eingerichtete Posener Markt verwandelte sich 1925 in die 1. Internationale Messe. Einen bedeutenden Einfluss auf die Verstädterung Posens hatte die 1929 veranstaltete Ausstellung zur Präsentation der Errungenschaften des seit zehn Jahren souveränen Polens - die so genannte Allgemeine Landesausstellung. Ausgebaut wurden damalsdie Messehallen. Es entstanden neue Schulen, Wohnhäuser, Internate und Hotels. Zu dieser Zeit errichtete man zwei neue Universitätsgebäude: das Collegium Chemicum und das Collegium Anatomicum, ein Studentenwohnheim, die Handelshochschule und -oberschule, das Hotel Polonia und das Kino Słońce (deutsch: Die Sonne), das modernste Polens. In der Zwischenkriegszeit entwickelte sich Posen, als eine Woiwodschaftsstadt, vielseitig: Die Stadt, die kommunale Wirtschaft und Industrie wurden ausgebaut. Es erfolgte eine Neuorientierung der städtischen Wirtschaft in Richtung einer Entwicklung der Industrie, des Handels- und Dienstleistungsnetzes und der Finanzinstitutionen. Die Aktiengesellschaft H. Cegielskis wandelte sich in einen großen Konzern für die Produktion von landwirtschaftlichen Maschinen, Eisenbahnwaggons und elektrischen Maschinen um, es entwickelte sich die Fabrik für Kunstdünger R. Mays und es entstanden große Fabriken: die Schokoladenfabrik Goplana, die Zigarettenfabrik Partia, die Tabakwarenfabrik Sarmatia, die Zündkerzenfabrik Iskropol, die Nicht-Standard-Werkzeugmaschinen-Fabrik Wiepofama, die Papierfarbik Malta, die Gummiindustriefabrik Stomil, die Glashütte Antoninek, die Militärbetriebe für Uniformierung und Reparaturbetriebe für Schienenfahrzeuge. In den 20er Jahren wurden die Posener Universität, Handelshochschule, Musikakademie, das Staatliche Institut für Bildende Künste und die Sportakademie gegründet. Der Zivilflughafen im Stadtteil Ławica und der Fernbusbahnhof wurden gebaut. Ein regelmäßiger Inlands- und Auslandsflugverkehr, Nah- und Fernbusverkehr wurden eingeführt, ein Radiosender in Betrieb genommen, eine Müllverbrennungsanlage und ein neues Stadtkraftwerk eröffnet. Ausgebaut und modernisiert wurde auch die kommunale Infrastruktur: Straßen und Plätze, Eisenbahnstationen, das Straßenbahnnetz, Brückenobjekte und Grünflächen. Es entstanden kommunale und genossenschaftliche Wohnsiedlungen. In der Zwischenkriegszeit war Posen, im Hinblick auf die Einwohnerzahl an vierter Stelle unter den polnischen Städten, eine führende Industrie- und Handelsstadt auf der wirtschaftlichen Landkarte Polens und es konnte die Spitzenposition trotz des wirtschaftlichen Zusammenbruchs in den Jahren der großen Wirtschaftskrise (1929 - 1934) bewahren. Posen war eine gut organisierte und wohlhabende Stadt mit einer entwickelten städtischen und industriellen Infrastruktur und ein wichtiges Messezentrum in Europa.


Deutschland besetzte Posen am 10. September 1939. Zur Zeit der Hitler-Okkupation wurde Posen, als Hauptstadt des so genannten Warthegaus, dem Deutschen Reich einverleibt. Ein Teil der polnischen Bevölkerung wurde ins Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete ausgesiedelt. Ein neuer Raumbewirtschaftungsplan für die Stadt, der ihren Ausbau in Richtung Westen und Osten sowie den Anschluss Posens an das geplante Autobahnnetz vorsah, wurde entworfen. Die deutsche Besatzungsverwaltung erweiterte das Stadtgebiet um 47 Vorstadtsiedlungen. Die Stadtbevölkerung belief sich während der Besatzung auf 234 - 235 000 Personen, darunter betrug der Anteil der polnischen Bevölkerung über 60 %. In der Wirtschaft, die auf die Bedürfnisse der deutschen Armee ausgerichtet war, dominierte die Industrie. Polnische Industriebetriebe wurden von deutschen Unternehmen übernommen und große Rüstungsbetriebe aus dem Reich, wie Focke-Wulf, Afa-Werke und Telefunken, wurden 1941 nach Posen verlegt. Während der Besatzung wurde die städtische Infrastruktur nur in geringem Maße umgebaut. Man baute Wasserleitungsanlagen und das Stadtkraftwerk aus, errichtete einen Militärflughafen in Krzesiny und einen neuen Güter- und Rangierbahnhof in Franowo. Man baute einige Gebäude im Zentrum der Stadt und an der Warthe ab, um die Gebiete auf geplante Investitionen u.a. in Zusammenhang mit dem Bau eines neuen Flusshafens vorzubereiten. Man baute auch neue Bürgerhäuser und Wohnbaracken für die umgesiedelte polnische Bevölkerung. Es entstand der künstlicher See Rusałka und ein Militärfriedhof im Stadtbezirk Miłostowo. Seit 1944 wurde die Stadt durch Luftangriffe der Alliierten zerstört. Zu dieser Zeit begannen die Deutschen damit Posens als Festungsstadt zu nutzen, die den Angriff der Roten Armee zum Stehen bringen sollte. Nach schweren Kämpfen wurde Posen am 23. Februar 1945 befreit. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Posen zu 55% zerstört.


Politische Veränderungen im Nachkriegseuropa waren für die Entwicklung Posens in den nächsten 45 Jahren ausschlaggebend. Die ersten Nachkriegsjahre hat man dem Wiederaufbau der Stadtwirtschaft und des sozialen Lebens gewidmet. Infolge des Dekrets über die Verstaatlichung hat sich die Eigentumsstruktur der städtischen und industriellen Infrastruktur gewandelt. Die Mehrheit der Industriebetriebe wurde verstaatlicht, und in privaten Händen gebliebene Mehrpersonenbetriebe erhielten den Charakter einer Handwerkerwerkstätte. Verstaatlicht wurden ebenfalls die ganze städtische Infrastruktur und das gesamte Vorkriegsvermögen der städtischen Selbstverwaltung; private Bildungs- und Kultureinrichtungen, Krankenhäuser und Sportanlagen wurden vom Staat übernommen. Zum dominierenden Zweig der städtischen Wirtschaft wurde die Industrie, die sich so dynamisch entwickelte, dass Posen in den 50er Jahren zu den meist industrialisierten Städten im Land gehörte. Der Industrialisierungsprozess wurde durch die Übergabe neuer Investitionen und den Ausbau der übernommenen Betriebe erreicht. Man baute fünf neue große Fabriken für Maschinenproduktion und eine pharmazeutische Fabrik, die Fabrik für Hochdruckmotoren und Waggons H. Cegielskis wurde grundlegend modernisiert. In der Stadtwirtschaft dominierten die Nahrungsmittel- und Metallindustrie. Es verringerte sich dagegen der Anteil von Gewerbe, Dienstleistungen und Handel und Gastronomie, was vor allem mit der damals geführten Politik der Auflösung des Privatsektors verbunden war. Die schnelle Entwicklung Posens stieß auf immer größere Beschränkungen in Zusammenhang mit einer etwas langsameren Entwicklung der Versorgungsbasis und mit sich verschlimmernden Lebensbedingungen der Bevölkerung. Trotz des Baus neuer Wohnsiedlungen (in den 50er Jahren wurden durchschnittlich 1 200 neue Wohnungen pro Jahr übergeben) waren die Wohnbedingungen der Bevölkerung schwierig. Einen Protest weckten auch die nach stalinistischem Vorbild eingeführten System- und Wirtschaftslösungen. Die wachsende Unzufriedenheit führte zum ersten Massenprotest von Arbeitern im Nachkriegspolen, der in Posen am 28. Juni 1956 begann und blutig niedergeschlagen wurde. Infolge der Kämpfe in den Straßen der Stadt sind über 70 Personen ums Leben gekommen, beinahe 600 Personen wurden verletzt und 746 Protestteilnehmer festgenommen. Die Vorkommnisse haben Änderungen in der Politik der damaligen Landesverwaltung bewirkt. Es folgte eine Liberalisierung sowohl des politischen als auch des wirtschaftlichen Lebens.

Z einer Verlangsamung des Industrialisierungstempos kam es in den 60er Jahren. Investitionsaufwendungen für die Entwicklung der Industrie wurden stark gesenkt. In der Zweigstruktur dominierten die Elektromaschinen- und Chemieindustrie. Eine gewisse Verbesserung war in der Wohnsituation der Bevölkerung zu beobachten, da viele neue Wohnsiedlungen, aus Betonfertigteilen gebaut, in den Stadtbezirken Rataje, Winogrady und Grunwald übergeben wurden. Ausgebaut wurden auch Einrichtungen der städtischen Infrastruktur und man begann mit dem Bau der Zentralkläranlage. Die Entscheidung über den Umbau des Stadtkraftwerkes Garbary zum Heizkraftwerk und über den späteren Bau eines neuen Heizkraftwerkes in Karolin ermöglichten einen Ausbau der bisher zentralisierten Wärmeenergieversorgung der Stadt.

In den Jahren 1973 und 1987 wurden gemäß den damaligen Richtungen der räumlichen Stadtentwicklung stadtnahe Gebiete in die Stadtgrenzen Posens eingegliedert: ein Teil von Suchy Las, Morasko, Radojewo und Miękowo. Die Stadtfläche stieg auf 261300 km², und die Einwohnerzahl auf 585900.


In der zweiten Hälfte der 70er Jahre begann ein allmählicher, bis Ende der 80er Jahre andauernder, Rückgang der Posener Industrie, und darauf auch anderer Wirtschaftsbranchen. In den 80er Jahren verlangsamte sich, ähnlich wie im ganzen Staat, das Tempo des Wohnbaus und Entwicklungstempo der städtischen Infrastruktur.

Der 1989 begonnene Prozess der politischen und ökonomischen Transformation sowie der Eigentumsumgestaltung in der Wirtschaft erschütterte die Strukturen Posener Unternehmen und führte zu einem wesentlichen Produktionsrückgang. Technologisch veraltete Betriebe wurden aufgelöst, die größten Betriebe dagegen privatisiert, auch unter Beteiligung ausländischen Kapitals. Die in der Wirtschaft eingeführten Systemänderungen verursachten eine rapide Entwicklung des privaten Sektors in allen Zweigen der städtischen Wirtschaft. Diese Prozesse waren in der Handels-Dienstleistungsbranche besonders sichtbar. Sie wurde als erste entmonopolisiert und beinahe gänzlich privatisiert. Es entstanden neue Dienstleistungsbranchen in Zusammenhang mit dem Geschäftsumfeld im weitesten Sinne, darunter zahlreiche Finanzinstitutionen: einheimische und ausländische Banken sowie Börsen und Consultingfirmen. Dynamisch entwickelte sich der Immobilienmarkt. Bedeutend stieg der Anteil des privaten Kapitals an der städtischen Wirtschaft an, darunter auch des ausländischen. Die hohe Investitionsattraktivität Posens ermuntert ausländische Investoren dazu, zahlreiche Aktivitäten in der Stadt zu unternehmen. Das architektonische Stadtbild verändert sich. Im letzten Jahrzehnt entstand eine Reihe moderner Objekte, insbesondere Handels-Dienstleistungs- und Wohn-Büro-Objekte.

Posen beendete das 20. Jahrhundert mit einer völligen Änderung seines Charakters von einer preußischen Festung zu einer modernen und offenen Stadt, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Politik einer bürgerfreundlichen Stadt verfolgt.