Schiffsverkehr
Audio/video datei
- Zu hören
-
Rathaus Nr. 1
hören Sie
-
Rathaus Nr. 2
hören Sie
-
Rathaus Nr. 3
hören Sie
-
Rathaus Nr. 4
hören Sie
Rathaus
Die Galerie zeigen
Rathaus - abbildungen Rathaus - fassade Rathaus - innerenAls wichtigster Bau des Alten Marktes galt und gilt das Rathaus. Hier fielen einst die Entscheidungen über Stadtangelegenheiten und Urteile über Freveltaten. Heute zieht es das Interesse als eines der bekanntesten Denkmäler der Renaissancearchitektur Polens an.
Seine Anfänge reichen zweifelsohne bis in das 13. Jahrhundert zurück, die erste urkundliche Erwähnung stammt allerdings aus dem Jahre 1310. Aus dieser Zeit datieren ebenfalls die gotischen Kellergewölbe: Davon zeugt ein gut erhaltener Schlussstein mit dem Wappen der Premysliden - des böhmischen Herrschergeschlechts, das in den Jahren 1300?1306 die polnischen Krone innehatte. Vom spätgotischen Umbau, der Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhundert erfolgte, blieben der Turmkörper und zwei Portale in den Räumlichkeiten des ersten Obergeschosses erhalten.
Eine Zäsur in der Rathausgeschichte setzte 1536 der Großbrand, bei dem "beinahe die ganze Stadt niederbrannte". Der alsbald vorgenommene Wiederaufbau bereitete so viele Probleme, dass erst der vierzehn Jahre später aus Italien geholte Architekt Giovanni Battista Quadro das Vorhaben vollenden konnte. Gemäß dem mit dem Stadtrat unterschriebenen Bauvertrag, hat er das Rathaus in westliche Richtung erweitert und sicherte somit die entsprechende Statik des vom Einsturz bedrohten Turmes. Die dreigeschossige Arkadenloggia an der Ostfassade und die sog. Große Halle sind ebenfalls sein Werk. Damals hat man auch die beim Uhrmachermeister Bartholomäus Wolff aus Guben bestellte Uhr mit der "närrischen Einrichtung" in Gestalt der Ziegenbockfiguren installiert, die bei jedem Stundenschlag mit den Hörnern gegeneinander stießen. Heute erscheinen die Ziegenböcke nur um 12 Uhr.
Obwohl das Rathaus sonst von den Bürgern besonders gehegt und gepflegt wurde, geriet es in der Zeit der wirtschaftlichen Krise, verursacht durch die schwedischen Kriege, in einen schlechten Zustand. Erst dank den Bemühungen der Kommission für Gute Ordnung hat man es in den Jahren 1782?1784 wieder hergerichtet. Der seit über einem halben Jahrhundert von einem Orkan beschädigte Turm hat damals seinen neuen klassizistischen Helm erhalten, entworfen vom Warschauer Architekten Efraim Szreger. In dieser Form wurde das Baudenkmal nach den Schäden des Zweiten Weltkrieges wieder aufgebaut. Gemäß dem aktuellen kunsthistorischen Forschungsstand wurden in den letzten Jahren gewisse Korrekturen in der Außenausstattung des Gebäudes vorgenommen.
4. Die auffälligste Besonderheit des Bauwerkes, die es von anderen derartigen Bauten unterscheidet, ist die bereits erwähnte Arkadenloggia. An die Vorbilder aus dem berühmten Architekturtraktat von Sebastian Serlio angelehnt, gilt diese als die erste neuzeitliche Fassadengestaltung polenweit. Auch die später so populär gewordene Attika war bei diesem Bau eine Pionierleistung. Ihre Form knüpft von der östlichen Seite an das Motiv einer dreitürmigen Wehrmauer an, das in vielen Stadtwappen (darunter auch im Posener) vorhanden ist und die städtische Unabhängigkeit versinnbildlicht. Die Prinzipien, auf die sich eine solche "Stadtrepublik" zu gründen hatte, wurden daher in Reliefen veranschaulicht, die die Eckfelder der Arkaden im Erdgeschoss schmücken: Symbolisch abgebildet wurden die Tugenden, die bei Regierenden insbesondere wünschenswert seien - Geduld, Weißheit, Gerechtigkeit, Glaube, Hoffnung, Liebe, Tapferkeit und Mäßigung. Eine Ergänzung dazu bilden beflügelte Genien, die im ersten Obergeschoss dargestellt wurden und als Allegorien des moralischen Sieges gelten.
Eine nicht minder wichtige ästhetische und ideentragende Rolle spielt die malerische Ausstattung der Fassade. Im Attikaband sind das, gemäß Überlieferungen aus dem 16. Jahrhundert, Bildnisse der polnischen Herrscher vom Haus der Jagellonen: Hedwig, Wladislaw II. Jagello, Wladislaw IV. (genannt "von Warna"), Kasimir IV. (genannt Jagellonicus), Johann Olbracht, Alexander, Sigmund der Alte und Sigmund August. Der ursprüngliche Inhalt der Malereien in den seitlichen Gebäudeachsen ist nicht bekannt. Im 17. Jahrhundert waren diese Felder mit religiösen Szenen gefüllt, die im ausgehenden 18. Jahrhundert durch weitere Bildnisse polnischer Könige und Herzöge ersetzt wurden. An diese Gestaltung hat man bei der letzten Renovierung angeknüpft. So fanden die Porträts der Vertreter der Piastendynastie, die mit Posen besonders verbunden war, ihren Platz an der Rathausfassade: Mesko I, Boleslaus der Tapfere, Premysl I und Premysl II, sowie Wladislaw I. der Ellenlange, und Kasimir III. der Große. Eine weitere Galerie der Wandmalerei befindet sich im Inneren der Loggia im ersten Stock: Sie besteht aus Wappen und Handwerkerzeichen der Posener Ratsherren aus der Zeit des Rathausumbaus.
Die Ausstattung der übrigen Fassaden ist wesentlich bescheidener. Zu ihrem künstlerischen Ausdruck trägt vor allem die in Sgraffitotechnik ausgeführte Quaderrustika bei, die die Fassaden bedeckt. Die einzigen farblichen Akzente setzen die Friese, die das ganze Gebäude umlaufen. Die schlichte, architektonisch nicht mehr aufgegliederte Attika enthält lateinische Inschriften. Den an der Südfassade angebrachten Strebepfeiler krönt ein dreigesichtiger Kopf. Gedeutet wird dieser häufig als eine Darstellung der legendären drei Brüder, Lech, Czech und Rus, Begründer der drei slawischen Völker, oder auch als Abbildung des slawischen Kriegsgottes Tryglaw (der Dreiköpfige). In Wirklichkeit ist es aber ein Symbol der Weisheit: Dieser Bauteil knüpft nämlich an die Form des Bürgermeisterstabs an, der einst als Attribut des Bürgermeisteramtes galt. An der Nordfassade befindet sich eine fragmentarische Rekonstruktion der lateinischen Inschrift, beginnend mit den Worten "HOC OPUS ARTIFICIS JOANNIS BAPTISTAE ITALI..." (deutsch - "Dies ist das Werk Johannes Baptista, des Italieners...") und des Wappens des Künstlers.
5. Mit der sinnbildlichen Botschaft der Darstellungen an den Fassaden korrespondiert das symbolträchtige Deckendekor der "Großen Halle" im ersten Obergeschoss. Auf zwei Pfeiler gestützt, enthält das Gewölbe im Nordteil die Wappen von Polen, Litauen, den Häusern der Jagellonen, Sforza und Habsburger sowie das Stadtwappen Posens wie auch Darstellungen biblischer und mythologischer Gestalten: David, Samson, Herkules und Marcus Curtius. Im Südteil sind der Kopf Christi als Kosmokrator und verschiedene Himmelskörper abgebildet: Sonne, Mond, Jupiter, Mars, Merkur, Saturn und Venus. Darüber hinaus sind natürliche und phantastische Tiere dargestellt: Adler, Leopard, Löwe, Nashorn, Elefant, Pegasus und Greif. Gegenwärtig ist der Sinn dieser Darstellungen nicht mehr ganz klar. Man glaubt, dass die Botschaft der Bildsprache die Tapferkeit als eine der wichtigsten Tugenden hervorhebt, die notwendig ist, um Land und Stadt Wohlergehen zu sichern. Als Belohnung für das Üben dieser Tugend winkte das Himmelsreich. Zuständig für dieses ikonographische Programm war höchstwahrscheinlich der damalige Bürgermeister Kasper Goski (Vgl. Bürgerhaus Nr. 48), bekannt für sein astrologisches Interesse.
Eine reiche Ausstattung hatten damals auch der Königs- und der Gerichtssaal. Der erste verdankte seinen Namen mehreren Königsporträts, die ihn einst schmückten. Heute fällt hier vor allem der Renaissancekamin auf, verziert mit dem Posener Stadtwappen. Er stand ursprünglich im Gebäude der Stadtwaage und wurde nach dessen Abriss im 19. Jahrhundert in das Rathaus verlegt. Im Gerichtssaal sind am Gewölbe Fragmente der Wandmalerei aus unterschiedlichen Epochen erhalten geblieben. Dargestellt wurden die Gründer der Stadt, die Fürsten Premysl I. und Boleslaus der Fromme, wie auch allegorische Gestalten der vier Kontinente: Afrika, Amerika, Asien und Europa. Im Raum befindet sich auch die Statue des Königs Stanisław August Poniatowski, gemeißelt vom Posener Bildhauer Augustin Schöps und gestiftet als Ausdruck der Dankbarkeit der Bürger für die vom König erfahrene Gunst.
Bis zum Zweiten Weltkrieg diente das Rathaus seiner ursprünglichen Bestimmung. Gegenwärtig beherbergt es das Museum für die Geschichte der Stadt Posen (Abteilung des Nationalmuseums).
6. Jeden Tag wird um 12 Uhr von einem Turmbläser das städtische Trompetensignal in alle vier Winde geblasen. Seine Melodie wiederholt jede volle Stunde das am mittleren Türmchen der Frontfassade angebrachte Glockenspiel. Die einfache melodische Form, die dem Ausführenden keine besondere Fertigkeiten abverlangt, begründet die Annahme, dass das Posener Turmsignal zu den ältesten in Polen gehört.
Mit dem Posener Turmlied verbindet sich eine bekannte Sage, die von einem verwundeten Rabenkönig erzählt, um den sich der Sohn des Türmers gekümmert und ihn geheilt hat. Aus Dankbarkeit hat ihm der Rabenkönig eine kleine Silbertrompete geschenkt. Nach vielen Jahren, als der Knabe groß geworden war und das Gewerbe seines Vaters übernommen hatte, konnte er mit der Silbertrompete die Raben zur Hilfe zu rufen, als die feindlichen Truppen die Stadt belagerten. Die Vögel haben geholfen, den Feind abzuweisen.